Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (2024)

Leitfaden:

Die sogenannte Canterbury-Szene zählt zu den frühesten Ausprägungen des Progressive Rock, doch erreichte sie nie die Popularität der zeitgenössischen symphonischen Richtung. Dies liegt wohl hauptsächlich an der weniger massen- und stadiontauglichen Musik. Im Canterbury-Sound spielen deutliche Jazzeinflüsse eine stärkere Rolle als bei den meisten symphonischen Bands, hingegen ist die Rockkomponente schwächer ausgeprägt. Allerdings ist es schwierig, den Canterbury-Sound musikalisch wirklich festzumachen, die Unterschiede zwischen den einzelnen Bands sind beachtlich. Quirligen Pop-Songs, wie sie die frühen Caravan boten, stehen die ausgedehnten, kompromisslosen Jazzausflüge der mittleren Soft Machine gegenüber, einer Band, die ihrerseits zuvor psychedelisch angehauchten Pop gemacht und im Swinging London als grosse Konkurrenz von Pink Floyd gegolten hatte. Mit in das Spektrum gehören daneben z.B. die bedingungslose Komplexität mancher Henry Cow-, Egg- und National Health-Kompositionen oder der sogenannte Space Rock von Gong.

Der Name "Canterbury-Prog" erklärt sich durch den Umstand, dass einige der Protagonisten aus der Gegend rund um Canterbury kamen oder sich dort zumindest zum Musikmachen zusammenfanden. Doch läßt sich die Zugehörigkeit zur Canterbury-Szene auch geographisch nicht wirklich festmachen, da viele Hauptbeteiligte aus anderen Gegenden Englands oder - wie der Australier Daevid Allen - gar aus anderen Ländern stammen.

Ein wichtiges Merkmal stellt die innere Verflechtung der Szene dar. Übertrieben gesagt hat fast jeder der beteiligten Musiker mit jedem anderen einmal zusammen in einer Band oder zumindest auf einer Platte gespielt. Dies wird im Leitfaden durch die häufige Wiederkehr mancher Namen deutlich.

Hervorgegangen ist fast die gesamte Canterbury-Szene aus wenigen Ur-Bands. Die wichtigste davon dürften wohl die "Wilde Flowers" sein, obwohl sie nie eine offiziell veröffentlichte LP aufgenommen haben (es gibt allerdings eine postume Zusammenstellung von Demos etc.). In dieser Band spielten zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendigerweise jedoch gleichzeitig) Hugh Hopper, Robert Wyatt, Richard Sinclair, Kevin Ayers, Richard Coughlan, Pye Hastings und Dave Sinclair, sämtlich spätere Mitglieder von "Soft Machine" bzw. "Caravan" sowie einer Legion anderer Bands und Projekte. Eine weitere Proto-Band - ebenfalls ohne Veröffentlichung - hieß "Uriel". Die Gruppe bestand aus Dave Stewart, Mont Campbell, Clive Brooks (später zu dritt als Egg tätig) und Steve Hillage (später Khan und Gong). Und schließlich ist "Delivery" zu nennen, eine Bluesrock-Band, die als Keimzelle für "Hatfield And The North" angesehen werden kann; von ihr gibt es ein Album: "Fool's Meeting".

Wenn sich das verwirrend anhört: keine Sorge, das ist es auch. Wer tiefer in die Geschichte und Verknotungen der Canterbury-Szene einsteigen will, findet im Netz einige sehr ausführliche und hilfreiche Ressourcen, etwa die Calyx-Website, die Musart-Seiten oder Collapso, den "Canterbury Music Family Tree". Und nicht zuletzt kann der folgende Leitfaden als Startpunkt für musikalische Entdeckungen dienen.

Die Hauptliste

Caravan (Großbritannien)


In the Land of Grey and Pink, 1971
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (1)

Caravan sind neben Soft Machine die bekanntesten Vertreter der Canterbury-Szene. Auch diese Gruppe entstand Ende der sechziger Jahre aus den Überbleibseln der Band "Wilde Flowers". Die Urbesetzung umfasste Pye Hastings (g), Richard Sinclair (bg), Dave Sinclair (key), Richard Coughlan (dr) sowie als "inoffizielles" Mitglied Jimmy Hastings (sax, fl). Das unbetitelte Debutalbum von 1968 enthielt noch überwiegend Songs in der Tradition des Sixties-Pop mit leicht psychedelischem Einschlag. Mit dem zweiten Album "If I could do it all over again, I'd do it all over you" (1970) entwickelten Caravan ihren typischen Stil, den sie auf "In the Land of Grey and Pink" (1971) perfektionierten. Zu den Merkmalen zählen lange instrumentale Jams ohne ausgeprägte solistische Einlagen, ein leichtes Jazzfeeling und dazwischen immer wieder mal kleine Folk-Einsprengsel. Die suitenartig arrangierten Stücke "For Richard" (auf "If I could...") und "Nine Feet Underground" (auf "In the Land...") stellen wohl die Höhepunkte im Schaffen Caravans dar.

Nach dem noch stärker jazzorientierten "Waterloo Lily" (1972) verließ Richard Sinclair die Gruppe. Mit "For Girls who Grow Plump in the Night" (1973) und "Caravan and the New Symphonia" (1974), letzteres ein Livealbum mit Orchesterunterstützung, folgten zwei weitere gelungene Alben mit deutlich rockigeren Tendenzen. Das neue Mitglied Geoffrey Richardson setzte dabei interessante Akzente an der Viola. Besonders deutlich wird dies bei der Version von "For Richard" auf "Caravan and the New Symphonia". Ab "Cunning Stunts" (1975) begann die Band jedoch immer stärker in Pop-Gefilde abzudriften. Den Tiefpunkt erreichten sie 1980 mit "The Album", ein paar Jahre später trennte sich die Gruppe. Seit 1990 gingen Caravan zwar wieder öfters auf Tour, mit "Battle of Hastings" (1994) erschien auch ein neues Studioalbum, die Qualität ihrer frühen Jahre erreichten sie jedoch nicht mehr.

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Egg (Großbritannien)


The Polite Force, 1970
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (2)

Egg entstanden 1968 aus der Band Uriel, nachdem deren Gitarrist Steve Hillage sich entschlossen hatte, anstelle des Musikmachens lieber auf's College zu gehen. Die verbleibenden Mitglieder Clive Brooks (Schlagzeug), Mont Campbell (Bass) und Dave Stewart (Orgel, Piano) machten zunächst als Uriel weiter, änderten den Namen auf Drängen ihres Managers aber bald in Egg. Die musikalischen Einflüsse auf die Gruppe reichen von Keith Emersons Orgel-Eskapaden bei The Nice über Jazz bis hin zur modernen Klassik. Das von Campbell dominierte Songwriting konzentriert sich auf komplexe Riffs in ständig wechselnden unregelmässigen Taktarten, im Zusammenspiel eng verzahnt mit Stewarts Orgel und Campbells Bass.

Kaum eine Band experimentierte derart früh - 1969/1970 - so ausgiebig und selbstbewusst mit diesen Elementen. Hier waren Egg echte Pioniere. Dazu kam in den gesungenen Stücken die unauffällige, aber angenehme Stimme, mit der Campbell seine leicht hippiesken, trippigen Texte darbot. Eggs erstes Album "Egg" klingt heutzutage leicht angestaubt und atmet deutlich den Geist der später 60er Jahre. Nach den Aufnahmen zu diesem Debüt kam es übrigens zu einer kurzen Reunion mit Steve Hillage. Damals spielten Egg - als Auftragsarbeit für einen Produzenten - an einem Nachmittag ein später viel gesuchtes, obskures Psychedelic-Album ein. Aus rechtlichen Gründen hießen Band und Album hier allerdings "Arzachel". Auf dem Cover wurden auch die einzelnen Musiker unter Pseudonymen geführt.

Das zweite echte Egg-Album "The Polite Force" zeigte eine gereifte und im Sound verbesserte Band, die die oben genannten Zutaten souverän zu einer ausgeglichenen LP verarbeitete. Doch wegen ihrer komplexen, für Hitparaden kaum tauglichen Musik quälten Egg ständig Finanzprobleme. An Auftritte war schwer heranzukommen, und 1972 löste sich die Band schliesslich auf. Dave Stewart stieg bei Hatfield And The North ein. Dadurch ergab sich 1974 die Möglichkeit, ein drittes, quasi postumes Egg-Album - "The Civil Surface" aufzunehmen. Es enthielt einige ältere Stücke, die bis dahin nur live gespielt worden waren. Ergänzt wurden diese - an sich in gewohnter Egg-Qualität erglänzenden Songs - durch einige interpretatorisch wacklige Bläser-Quartette von Campbell, der nicht nur Bass, sondern auch Horn spielt. Daher war "The Civil Surface" eine eher durchwachsene Sache. Später wurden Stewart und Campbell bei National Health wieder vereint, doch stieg der Bassist noch vor dem ersten Album der Band aus; die Früchte der Zusammenarbeit kann man aber auf der National Health-Demo-Zusammenstellung "Missing Pieces" bewundern.

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Gilgamesh (Großbritannien)


Gilgamesh, 1975
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (3)

Die Band Gilgamesh war hauptsächlich das Projekt des Keyboarders Alan Gowen. Ursprünglich 1972 gegründet durchlebte die Band zunächst einige personelle Wirren. Diese Frühphase dokumentiert die Archiv-Veröffentlichung "Arriving Twice" mit verschiedenen Demo-Aufnahmen. 1975 nahm die Gruppe endlich ihr gleichnamiges Debutalbum auf, das von niemand Geringerem als Dave Stewart co-produziert wurde. Gilgamesh haben einen sehr leicht fließenden Canterbury-Sound, der stärker als bei vergleichbaren Bands der zweiten Canterbury-Generation (wie Hatfield And The North oder National Health) jazzgeprägt ist. Echte Rock-Elemente sind spärlich gesät, statt dessen dominieren Gowens elegante Synthie-Linien, sein sanftes E-Piano-Spiel und Phil Lees schlanke Gitarren-Leads. Nach dem ersten Album und angeregt durch Doppel-Quartett-Auftritte Gilgameshs mit Hatfield And The North gründeten Gowen und Stewart 1975 gemeinsam National Health. Dort stieg Gowen noch vor dem ersten Album (auf dem er allerdings in einer Art Gastauftritt mitwirkt) wieder aus, um sich anderen Projekten zu widmen. Unter anderem kam es zu einer Gilgamesh-Wiederbelebung, die 1978 im zweiten Album "Another Fine Tune You've Got Me Into" mündete (hier wirkt übrigens Hugh Hopper, Ex-Soft Machine, am Bass mit). Es geriet noch ätherisch-jazziger als das Debut. Nach weiteren Projekten wie "Soft Heap/Soft Head" stieg Gowen erneut bei National Health als Ersatz für Dave Stewart ein.

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Gong (Frankreich)


You, 1974
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (4)

Obwohl 1968 in Paris gegründet, waren Gong nie ein französisches Projekt. Die Gruppe erlebte bis heute zahllose Umbesetzungen und daraus erwachsende Stiländerungen. Ex-Soft-Machine-Mann David Allen bildete mit Gilli Smyth den Nukleus der ersten Gong-Phase von 1968 bis 1975, die 1969 die erste LP "Magick Brother" hervorbrachte (die jedoch erst 1977 außerhalb Frankreichs erschien). Nach dem Soundtrack "Continental Circus" (1971) erschien noch im selben Jahr in der Besetzung Allen, Smyth, Malherbe, Pyle und Tritsch das Album "Camembert electrique", auf dem zum ersten Mal die Fabel um den Planeten Gong und dessen Bewohner, die "Pothead Pixies" angedeutet wurde. Zwischen 1973 und 1975 wurde dieses Hippiemärchen in der Trilogie "The Flying teapot", "Angels egg" und "You" weiter ausgesponnen. Dabei veränderte sich die Besetzung laufend, Pyle und Tritsch schieden aus und wurden z.B. von Francois Moze (Ex-Magma), Mike Howlett, Laurie Allen oder Pierre Moerlen ersetzt. Dazu stießen noch der Keyboarder Tim Blake und als zweite zentrale Figur neben Allen der Gitarrist Steve Hillage.

Stilistisch spielten Gong eine exotische Mischung aus Jazz, Rock, Folklore und Elektronik mit Soundspielereien, Glissandogitarren und Smyths 'Spacewhisper'. 1975 zogen sich Allen und Smyth nach Mallorca zurück. Nachdem auch Hillage ein Jahr später die Band verlassen hatte, entglitt Gong neben den fliegenden Teekesseln auch die verspielte Musik, und die Gruppe wandte sich nun unter der Leitung von Pierre Moerlen einem instrumentalen Jazzrock zu. Neue Mitspieler waren u.a. Benoit Moerlen, Hansford Rowe sowie Alan Holdsworth. Ende 1976 beendete Moerlen das Kapitel Gong, wenngleich nur, um fünf Monate später "Pierre Moerlens Gong" ins Leben zu rufen und unter Mitwirkung solch illustrer Gäste wie Mick Taylor, Didier Lockwood, Mike Oldfield oder Steve Winwood die LP "Expresso II" (1977 - aus vertraglichen Gründen noch unter dem alten Namen GONG) zu veröffentlichen bzw. 1979 "Downwind". Nach weiteren Veröffentlichungen und Umbesetzungen endete das Kapitel "Pierre Moerlens GONG" 1987 mit der LP "Breakthrough".

Das Kapitel Gong als solches hingegen endete nicht. Allen spielte nach seinem Ausstieg mit der "Here & Now"-Band, die den "Potheadpixies" Asyl gewährte. 1981 entstand in New York das Ensemble "New York Gong", während Gilli Smyth "Mother Gong" aus der Taufe hob. 1990 erschien dann wieder eine reguläre Gong-CD mit Allen, Malherbe, Smyth, Pyle und weiteren Musikern. Seitdem gibt es wieder die altbewährte Mischung aus Spacewhisper, Jazz und Glissandogitarre. Und die Teekessel sind auch wieder da ;-))

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Hatfield and the North (Großbritannien)


The Rotters' Club, 1975
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (5)

Die Geschichte von Hatfield and the North begann im Jahre 1966 mit der Blues-Rock-Formation Delivery, der mit Pip Pyle, Steve Miller und Phil Miller drei zentrale Musiker der späteren Canterbury-Szene angehörten. 1969 trennten sich Delivery, kamen aber drei Jahre später wieder zusammen und formierten - erweitert um Richard Sinclair (Ex-Caravan) - die Gruppe neu. Der zunächst beibehaltene alte Namen wurde kurz darauf (nach einem Autobahnschild) in "Hatfield and the North" geändert.

Das erste Album der Band - mittlerweile war Dave Stewart an die Stelle von Steve Miller getreten - erschien 1974. Ein Jahr später folgte "The Rotter's Club". Beide Platten gehören zu den essentiellen Canterbury-Alben mit allen szenetypischen Zutaten: locker dahinfließenden, jazzigen Jams, meist instrumental, mit schönem, perlendem E-Piano und unaufdringlichem Bläsereinsatz. Ab und zu wird das Ganze mit Richard Sinclairs zwar unspektakulärem, doch unverwechselbarem und typisch britischen Gesang veredelt.

Leider war damit schon das Ende von Hatfield and the North gekommen. 1990 gab es für eine Fernsehsendung eine kurzzeitige Reunion, allerdings ohne Dave Stewart, der durch Sophia Domancich ersetzt wurde. Ein Mitschnitt des Konzerts wurde auf CD veröffentlicht, neben Hatfield Klassikern sind darauf auch einige neue Titel enthalten. Eine Art "inoffizielle" Reunion fand außerdem auf Pip Pyles Soloalbum "7 Year Itch" (1998) statt, auf dem - neben vielen weiteren Szenegrößen - auch alle ehemaligen Hatfield-Musiker spielen.

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Henry Cow (Großbritannien)


Legend, 1973
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (6)

1968 von der späteren Prog-Avantgarde-Kultfigur Fred Frith und dem Saxophonisten Tim Hodgkinson als positive Reaktion auf die damalige Protestbewegung der "neuen Linken" gegründet, verbrachten Henry Cow ihre Anfangsjahre als exzentrische, sechsköpfige Blueseinheit. Erst 1972, nach zahlreichen Umbesetzungen, kamen der Basser John Greaves, der Schlagzeuger Chris Cutler und der Saxophonist Geoff Leigh dazu. Damit war die klassische Besetzung zusammen.

"Legend", die erste und einzige Platte mit Leigh, vereinigt auf überzeugende Art und Weise Elemente zeitgenössischer Avantgarde sowie moderner Klassik des 20. Jhs. mit Jazz und freier Improvisation. Es dominieren die verschiedensten Blasinstrumente, die neben dichtem Schlagzeugspiel oft von Gitarre, Geige und Piano begleitet werden. Gelegentlich übernimmt auch Friths schneidende Gitarre die Führung. Die Bandpassagen schließen oft Fragmente mit ein, die kammermusikartig auf einzelne Instrumente ausgeschrieben wurden. Vergleiche mit Frank Zappas früheren Instrumentalwerken erscheinen nicht ganz abwegig. Gesang bildet die seltene Ausnahme. Beim näheren Hinhören ist eine unterschwellige Intensität auszumachen, die bisweilen auch offen hervorbricht.

Nach "Legend" ging Geoff Leigh und wurde durch Lindsay Cooper ersetzt, deren fa*gott- und Oboespiel der Musik eine wärmere, klanglich interessante Note verlieh. Diese Besetzung war für die weiteren Aktivitäten der Band maßgeblich. Doch auch so hervorragende Alben wie "Unrest", "In Praise of Learning" (mit Unterstützung der Mitglieder von "Slapp Happy"), "Western Culture" und "Concerts" vermochten der komplexen, kalt wirkenden, unvorhersehbaren und atonalen Musik von Henry Cow keine breiteren Hörerschichten zu erschließen. Damit war das finanzielle Überleben der Band nicht zu gewährleisten.

Von den unzähligen interessanten Nachfolgeprojekten (und Soloalben) von Fred Frith, John Greaves, Tim Hodgkinson, Chris Cutler und Lindsay Cooper sollte man die kurzlebigen Bands Massacre (mit Frith und Bill Laswell) und Art Bears (mit Cutler und Frith) hervorheben. John Greaves ist später auf der Musikerliste von National Health zu finden, während Tim Hodgkinson, Lindsay Cooper und Geoff Leigh auf Platten von Hatfield & the North, Egg und Steve Hillage gastierten. Damit sind auch Verbindungen zu den klassischen Bands der Canterbury-Szene gegeben.

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Khan (Großbritannien)


Space Shanty, 1972
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (7)

Khan entstand als neue Band des Gitarristen Steve Hillage, der vorher bei Uriel bzw. Egg zu hören gewesen war. Mit dabei Nick Greenbaum, Eric Peachey und dessen alter Bandkumpel von Uriel und Egg: Dave Stewart. Womit wieder einmal die Querverbindungen innerhalb der Szene wirksam wurden.

Leider gibt es von Khan nur eine einzige Platte, die allerdings ein breites Spektrum an Musik beinhaltet. Die insgesamt sechs Lieder bieten sanft fließende Keyboards (die stellenweise an Caravan erinnern), Gesangslinien à la Flash, wunderbare Breaks und Taktwechsel und jene Art von Gitarrensoli, die Hillage später bei Gong eindrucksvoll fortführte. Dabei ist die Musik nie wirklich hektisch, sondern eher in der ruhigen Ecke anzusiedeln.

Nach Auflösung der Band wechselte Hillage - im Anschluß an einen kurzen Abstecher zu Kevin Ayers (Ex-Soft Machine) - zu Gong, und startete eine Solokarriere, um heute als Produzent und Mitglied von System 7 eher im "Techno"-Bereich zu agieren. Dave Stewart wechselte zu National Health und Hatfield & the North.

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Matching Mole (Großbritannien)


Smoke Signals, 2001
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (8)

Robert Wyatt hatte schon eine Weile davon gesprochen, dass ihm Soft Machine zu sehr in den Jazz gegangen sei, später sagte er gar: "Wir spielten eine grottenschlechte Musik..." Der Schlagzeuger stieg aus und gründete ein Projekt namens Matching Mole, um Love-Songs einzuspielen. 1972 wurden die Alben "Matching Mole" und "Little Red Record" (letzteres von Robert Fripp produziert) veröffentlicht. Auf beiden LPs ist die Musik typisch "canterburianisch", auch bluesgefärbt, aber nicht so komplex und jazzlastig wie etwa bei National Health oder Hatfield and the North. Die Live-Aufnahmen von "Smoke Signals" hat es auf LP nie gegeben. Sie wurden erst 2001 auf CD veröffentlicht. Unter verschiedenen Mitschnitten ausgesucht, zeichnen die zehn Instrumentalstücke das Bild einer Live-Band, die Songstrukturen nur zum Anlass nimmt, weit ausgreifende und stark jazzharmonische Improvisationen in einen kraftvollen Rockkontext fließen zu lassen. Neben Robert Wyatt (dr, voc) waren Phil Miller (g, Delivery, Hatfield & The North, National Health), Bill McCormick (bs, Phil Manzanera´s 801) und Dave McRae (p, Mike Westbrook) beteiligt. Zu solch komplexer Brillanz und ausdrucksstarker Extravaganz konnten nur gute Musiker und Instrumentalisten fähig sein. Die zu Grunde liegenden Kompositionsfragmente sind vom Allerfeinsten: intensiv, kraftvoll und berückend. Die Musik wird dem Namen Canterbury durchgehend mehr gerecht, als das die Songs der Studioalben taten, die ein solches Ausmaß an Jazz, an hingebungsvoller und ausschweifender hom*ogenität nicht kennen. Das Arrangieren verwegener Strukturen erreicht auf "Smoke Signals" eine bemerkenswerte, eine einzigartige Qualität. Doch der unstete, drogenverliebte Schöngeist Wyatt löste die Band wieder auf.

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National Health (Großbritannien)


Of Queues And Cures, 1978
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (9)

National Health, gegründet im Sommer 1975, war ursprünglich das Projekt der beiden Keyboarder Alan Gowen (Gilgamesh) und Dave Stewart (Egg, Khan, Hatfield And The North). National Health sollte eine Art Rock-Orchester mit grossem Line-Up werden. Drei Sängerinnen, zwei Keyboarder, zwei Gitarristen, Bass und Schlagzeug waren vorgesehen. Das kam jedoch nie zustande - wenngleich es zwischenzeitlich Besetzungen mit sieben Musikern (darunter nur eine Sängerin, Amanda Parsons) gab. Die ständig wechselnden Lineups waren immer mit bekannten Namen gespickt: Bill Bruford war der ursprüngliche Drummer, Steve Hillage gehörte zeitweise ebenso zur Band wie Mont Campbell von Egg. Doch war es in der Zeit des aufkommenden Punks äußerst schwierig, mit der komplexen, "unzeitgemässen" Musik von National Health einen Plattenvertrag zu bekommen. Daher hatten Alan Gowen und Amanda Parsons die Band schon verlassen, als es schließlich doch soweit war. Beide stießen allerdings während der Aufnahmen zum ersten, "National Health" betitelten Album vorübergehend wieder zur Band, die inzwischen aus Stewart, Neil Murray (Bass; Ex-Gilgamesh, -Colosseum II), Phil Miller (git; ehemals Delivery, Matching Mole, Hatfield And The North) und Pip Pyle (dr; zuvor Delivery, Gong, Hatfield And The North) bestand.

Das Album "National Health" enthielt Kompositionen von Gowen und Stewart und entwickelte den jazzig-fließenden Stil von Hatfield And The North in eine noch komplexere, abstraktere Richtung, stellte also - wie zu erwarten - eine Kreuzung des Hatfield-Sounds mit typischen Gilgamesh-Zutaten und insofern eine folgerichtige Weiterentwicklung des Canterbury-Sounds dar.

Das zweite Album, "Of Queues And Cures", bot Kompositionen aller Bandmitglieder (zwischenzeitlich hatte John Greaves von Henry Cow Murray am Bass abgelöst) und gab sich stilistisch vielfältiger, auch durch die ausgiebige Zusammenarbeit mit Gastmusikern (Cello, Flöte, Trompete etc.). National Health erreichten dabei einen Grad an Verfeinerung des Canterbury-Sounds, der dieses Album fast als definitives Statement der Szene erscheinen lässt. Stewarts ausgeklügelt-komplexe, sorgfältig orchestrierte Nummern stehen neben eher lockeren Tracks wie Phil Millers "Dreams Wide Awake" oder Pip Pyles treibendem "Binoculars".

Nach "Of Queues And Cures" kam es zu Differenzen zwischen Stewart und den restlichen Bandmitgliedern, so dass ersterer die Band verliess. Ersetzt wurde er durch den Rückkehrer Alan Gowen. Die Besetzung Gowen, Greaves, Miller, Pyle tourte eine Weile lang fleißig, ohne jedoch ein Album aufzunehmen und trennte sich schliesslich 1980. Nach dem tragischen Leukämietod Gowens 1981 fanden sich Miller, Greaves, Pyle und Stewart sowie einige Gäste wieder zusammen, um als Hommage an den Verstorbenen ein National Health-Album mit dessen Kompositionen aufzunehmen: "D.S. Al Coda".

National Health bleiben bis heute eine der bedeutendsten Canterbury-Bands. Dies zeigen nicht zuletzt die verschiedenen Archiv-Veröffentlichungen der letzten Jahre: "Missing Pieces" mit Demos und Radio-Sessions früher National Health-Inkarnationen sowie "Playtime" mit Live-Aufnahmen der letzten Besetzung.

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Nucleus (Großbritannien)


Elastic Rock, 1970
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (10)

Nucleus wurde 1969 vom Jazztrompeter Ian Carr ins Leben gerufen. Carr scharte Karl Jenkins (Oboe, Sax, Tasteninstrumente), John Marshall (Schlagzeug), Jeff Clyne (Bass), Brian Smith (Sax) und Chris Spedding (Gitarren) um sich, um freiere, vom üblichen Jazz-Schema (Thema - Solo - Thema) gelöste und zugleich rockigere, improvisierte Musik zu spielen. Die Band bekam einen Plattenvertrag mit Vertigo und veröffentlichte 1970 in obiger Besetzung ihr erstes Album "Elastic Rock". Die beiden Nachfolge-LPs "We'll talk about it later" und "Solar Plexus" stammen beide von 1971.

"Elastic Rock" und auch "We'll talk about it later" sind Paradebeispiele für den frühen britischen Jazzrock und gehören neben Soft Machines "Third" zu den Klassikern der Canterbury-Geschichte. Die Musik von Nucleus hat von allen Bands dieser Szene den wohl ausgeprägtesten Jazz-Einschlag. Die drei Bläser (insbesondere Carrs dominierende Trompete) und der meist akustische Bass überlassen es eher Speddings Gitarre und Jenkins Keyboards, den Jazzimprovisationen Rock-Elemente einzufügen.

1971 verließen Spedding und Clyne (der dann bei Isotope und Gilgamesh spielte) die Band und wurden durch Dave MacRae (auch Mitglied von Matching Mole) und Roy Babbington ersetzt. Marshall, Jenkins und Babbington sollten sich - in dieser Reihenfolge - bis 1972 sämtlich Soft Machine anschließen.

Nucleus nahmen weiterhin hochwertige Alben auf: "Belladonna" (1972), "Labyrinth" und "Roots" (beide 1973). Man tourte in ganz Europa. Trotzdem erreichte die Gruppe bis heute nie einen hohen Bekanntheitsgrad, wohl deshalb, weil sie eine recht unpoppige, komplexe Musik spielte, wie sie eher von Jazz-Hörern bevorzugt wird. Letztere wiederum lehnten "Pop/Rock-Bands" - unter dieser Rubrik firmierten Nucleus auf dem Vertigolabel zusammen mit z.B. Black Sabbath, Uriah Heap oder Gentle Giant - oft von vornherein ab. So blieb Nucleus eigentlich immer ein Geheimtip. Seit Mitte der 70er Jahre wandte Carr sich dann einem eher unspektakulären, wenn auch hochwertigen Mainstream-Brass/Jazzrock zu und nahm eine ganze Zahl weiterer Alben auf (Under The Sun - 1974, Snakehips Etcetera - 1975, Alleycat - 1975, In Flagranti Delicto - 1977, Out Of The Long Dark - 1979, Awakening - 1980). Dies waren durchaus solide Scheiben, aber die Innovation früherer Tage fehlte. Die Band existierte in der einen oder anderen Form bis 1988.

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Quiet Sun (Großbritannien)


Mainstream, 1975
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (11)

Quiet Sun aus Dulwich, einem Vorort von London blieben eine der Bands, die es nicht geschafft haben. In der Gruppe spielten Phil Manzanera (Gitarre), Bill MacCormik (Bass), Charles Hayward (Schlagzeug) und Dave Jarrett (Tasteninstrumente). Hervorgegangen aus der West-Coast-Rock-Cover Band "Pooh And The Ostrich Feather", wandte man sich um 1970, nachdem sich MacCormick mit Robert Wyatt angefreundet hatte, komplexeren Klängen zu und integrierte Jazzelemente in die Musik. Trotz umfangreicher Touren im Großraum London und ansprechender Kritiken seitens der Musikpresse löste sich die Band, vor allem wegen notorischen Desinteresses seitens der Plattenindustrie, 1972 auf.

Zum Glück war dies aber nicht das endgültige Aus. 1975 nahm Phil Manzanera, der inzwischen mit Roxy Music einen nicht geringen Bekanntheitsgrad erreicht hatte, seine Soloscheibe "Diamonds Head" auf, und nebenher spielte er mit der reformierten "Quiet Sun" einige alte Gruppenkompositionen ein. Unterstützt wurde die Band dabei von Brian Eno, der für diverse "Sounds" und "Treatments" verantwortlich zeichnete.

Musikalisch erinnert "Mainstream" ein wenig an Soft Machine. Vor allem Jarrets repetitiv-minimalistisches E-Piano ist wohl dafür verantwortlich. Aber alles in allem ergibt die Kombination aus Manzaneras giftig-verzerrter Fuzz-Gitarre, McCormiks sattem Bass und Haywards ausgeflipptem Getrommle (sowie seinen eigenartigen Vocal-Eskapaden) einen recht einzigartigen, sehr intensiven und spannenden, mitunter auch humorvollen Rock-Jazz. Quiet Suns "Mainstream" ist ein hervorragendes Beispiel für den abwechslungsreichen, doch charakteristischen Canterbury-Sound mit perlenden Keyboards und warmem, vollen Baß. Die LP, erschienen auf Islands Billiglabel "Help", verkaufte sich erstaunlich gut und gehört heute wohl mit zu den Klassikern des Genres.

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Soft Machine (Großbritannien)


Volume 1, 1968
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (12)
Third, 1970
Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (13)

Die lange Geschichte von Soft Machine beginnt Anfang der 60er Jahre mit den "Wilde Flowers", einer Beat-Band aus Canterbury, der zeitweise Robert Wyatt und Kevin Ayers angehörten. (Zugehörig waren auch die Gebrüder Hopper und die Cousins Sinclair, die mit Caravan eine andere Schlüsselband der Canterbury-Szene gründen sollten.) 1966 entstand schließlich Soft Machine mit Ayers (Bass), Wyatt (Gesang und Drums), Mike Ratledge (Tasteninstrumente) und Daevid Allen (Gitarre). Die Band zog nach London um und war bald neben Pink Floyd eine feste Größe in der Psychedelic-Szene der Stadt. Nach einem Auftritt in St. Tropez 1967 wurde dem Australier Allen die Wiedereinreise nach England verweigert. Er blieb in Frankreich und gründete dort einige Jahre später Gong. Der Rest der Band machte als Trio weiter. 1968 begab man sich in die USA, um Jimmy Hendrix' "Experience" als Vorgruppe zu dienen und um im Februar 1968 in New York die erste Soft Machine-LP aufzunehmen.

"Vol. 1" ist eine typisch britische Psychedelic-Pop-Platte der Endsechziger - vielleicht eine der besten -, vergleichbar mit zeitgleichen Werken von Pink Floyd oder Family, sehr abwechslungsreich und unterhaltsam. Das Album läßt aber kaum die späteren Jazzrock-Improvisationen der Band und somit den typischen Canterbury-Sound erahnen. Nach Abschluß der US-Tour verließ Ayers die Band und Ratlege und Wyatt machten mit dem vormaligen Wilde-Flowers-Kollegen und US-Tour-Roadmanager Hugh Hopper am Bass weiter. Das Trio nahm die zweite Soft Machine-LP ("Vol. 2") auf, die schon um einiges experimenteller und jazziger als das Debut war, um sich sodann eine umfangreiche Bläsersektion zuzulegen. Elton Dean (Sax), Marc Charig (Trompete), Nick Evans (Posaune) und Lyn Dobson (Sax/Flöte) traten der Band bei. Dieses Septett spielte aber nur einige Konzerte. Dobson, Evans und Charig verließen die Band bevor 1970 "Third" aufgenommen wurde (wenngleich Dobson und Evans hier noch als Gastmusiker zu hören sind). "Third" ist sicher das ambitionierteste Werk der Band. Die Doppel-LP enthielt vier, jeweils eine LP-Seite füllende Kompositionen, die eine sehr eigene, psychedelische und britische Version der Vermischung von Jazz und Rock boten.

Danach spielte Soft Machine für einige Jahre als Quartett (mit Bass, Keyboards, Schlagzeug und Saxophon) einen stark jazzbetonten, mitunter sehr repetitiven, minimalistischen Instrumentalrock, der im wesentlichen den mit "Third" eingeschlagenen Weg weiterging (zu hören auf den LPs "Four", "Five", "Six" und "Seven"). Die Besetzung wechselte dabei des öfteren (Wyatt, Dean und Hopper verließen die Band, Karl Jenkins, John Marschall und Roy Babbington kamen - übrigens alle einstmals bei "Nucleus"). Erst 1973, nach den Aufnahmen zur LP "Seven", sollte sich der Klang von Soft Machine deutlich ändern. Durch die Hinzunahme des Gitarristen Alan Holdsworth wurde die Musik bedeutend rockiger. Die 1975 veröffentlichte Scheibe "Bundles" - auf der Ratledge als letztes Mitglied der Urbesetzung übrig geblieben war - führte so etwas wie einen Richtungswandel herbei, hin zu eher gitarrenbetontem Jazzrock à la Mahavishnu Orchestra oder Return to Forever.

Leider verließen Holdsworth und Ratledge bald danach die Band und Soft Machine dümpelte noch einige Jahre in eher unspektakulären Jazzrock-Gewässern herum. Es entstanden noch die LPs "Softs" und "Alive and Well". 1981 trat die Band mit der unbefriedigenden LP "Land of co*ckayne" ab.

Nicht unerwähnt bleiben sollen die diversen Solo- und Seitenprojekte der Soft Machine-Musiker. Kevin Ayers hat seit Beginn der 70er eine lange Reihe von Solo-Alben eingespielt, ebenso Daevid Allen und Robert Wyatt, der zudem noch die Band Matching Mole gründete. Auch Hugh Hopper und Elton Dean haben Solo-Alben aufgenommen, dazu kommen noch diverse Projekte wie z.B. Elton Deans "Ninesence", "Soft Head" und "Soft Heap". All diese Aufnahmen bieten ein weites Spektrum an Canterbury-verwandter Musik, vom "Art-Pop" Ayers', Allens und Wyatts über den typischen Canterbury-Jazzrock von "Soft Head" und "Soft Heap" bis hin zum Big-Band-Jazz von "Ninesence".

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Tipps abseits der Hauptliste

Centipede (Großbritannien)


Septober Energy, 1971

Der Pianist Keith Tippett stammt aus Bristol, doch zog er 1967 nach London, wo er seine eigene Free-Jazz-Band ("The Keith Tippett Group") gründete, der zeitweilig so wichtige Canterbury-Musiker wie Elton Dean, Mark Charig, Nick Evans, Jeff Clyne, Roy Babbington, Neville Whitehead, Robert Wyatt, Gary Boyle und John Marshall angehörten. 1971 erschien bei Vertigo das hervorragende Album "Dedicated To You, But You Weren't Listening", eine komplizierte Mischung aus Free Jazz und improvisiertem Rock. Zur selben Zeit wirkte Tippett auch auf den King Crimson-Alben "In The Wake Of Poseidon", "Lizard" (beide 1970) und "Islands" (1971) mit, ohne jedoch festes Crimson-Mitglied zu werden.

Im Herbst 1970 formierte Tippett das Rock-Orchester "Centipede", eine Gruppe von 50 Musikern, der u.a. diverse Canterbury-Musiker, hauptsächlich von Soft Machine und Nucleus, angehörten (Robert Wyatt, Elton Dean, Nick Evans, Mark Charig, Karl Jenkins, Ian Carr, Brian Smith, Jeff Clyne, Roy Babbington, Bryan Spring, John Marshall) aber auch Robert Fripp, Peter Sinfield, Ian McDonald und Boz Burrell von King Crimson. Diese Riesenband spielte "Septober Energy" ein, eine vierteilige Suite, die 1971 als Doppel-LP bei Neon/RCA erschienen ist. Ein recht bizarres Stück "Free-Jazz-Big-Band-Canterbury-Prog", das als solches in Umfang und Komplexität recht einzigartig dasteht und daher durchaus das Interesse aufgeschlossener Prog-Hörer finden sollte. Völlig einzigartig sollte es indes nicht bleiben, denn einige Jahre später verwirklichte Tippett mit "ARK" ein ähnlich umfangreiches Big-Band-Projekt ("Frames", 1978).

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Hugh Hopper (Großbritannien)


Hoppertunity Box, 1977

Nach seinem sehr experimentellen ersten Solo-Album "1984" von 1973 dauerte es vier Jahre, bis Hugh Hopper einen zweiten Alleingang wagte. Was nicht heißt, dass er zwischenzeitlich auf der faulen Haut gelegen hätte. Im Gegenteil wirkte er bei etlichen Projekten anderer Musiker mit: Easr Wind, Isotope, Carla Bley Band.

Für "Hoppertunity Box" versicherte sich Hopper der Hilfe etlicher Kollegen aus dem Canterbury-Umfeld: Dave Stewart, Elton Dean, Mike Travis, Marc Charig, Gary Windo usw. usw. Dennoch wird das Album stark von Hoppers Bassklängen dominiert, die auch viele Leadaufgaben übernehmen. Teilweise wurde der Bass dafür sogar in halber Geschwindigkeit aufgenommen, um ihn beim Abspielen des Bandes in Originalgeschwindigkeit eine Oktave nach oben zu transponieren. Obwohl wie üblich ein deutlicher Jazzeinfluss nicht zu überhören ist - schließlich ist "Lonely Woman" sogar ein Ornette Coleman-Cover -, klingt "Hoppertunity Box" erstaunlich rockig, allerdings mit einer sehr intensiven, leicht düsteren Atmosphäre. Bis zum heutigen Tag bleibt Hugh Hopper einer der aktivsten Musiker der Canterbury-Szene. Nach weiteren Solo-Alben und verschiedenen Projekten (Gilgamesh, Soft Heap/Head) wandte er sich in letzter Zeit mit seiner Band "Hughscore" und in Zusammenarbeit mit der Sängerin Lisa S. Klossner verstärkt der Synthese von jazzigen Canterbury-Sounds und zeitgenössischen TripHop-Einflüssen zu.

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Isotope (Großbritannien)


Illusion, 1974

Isotope entstanden im Sommer 1972 um den Gitarristen Gary Boyle. Zur ersten Formation der Band gehörten auch der Bassist Jeff Clyne (ehemals bei Nucleus), der Tastenmann Brian Miller und der Schlagzeuger Nigel Morris. Dieses Quartett nahm das gleichnamige Debut auf, das 1974 veröffentlicht wurde. Kurz danach verließen Clyne, der zu Gilgamesh ging, und Miller die Band. Für sie kamen Hugh Hopper (von Soft Machine) und Laurence Scott in die Band. In dieser Besetzung wurde "Illusions" eingespielt (1975).

"Isotope" und "Illusion" sind hervorragende Beispiele für eine eher härtere, gitarrenorientierte Version des Canterbury-Sounds (vergleichbar mit Gilgamesh und National Health), und passen wohl auch wegen Hugh Hoppers Anwesenheit und dessen umfangreichen kompositorischen Beiträgen auf "Illusion" recht gut hierher. Ende 1975 verließ Hopper die Band, tauchte jedoch auf deren dritten LP "Deep End" (1976) nochmals als Gastmusiker auf. Danach drehte sich das Besetzungskarussell heftig (u.a. gehörte der spätere Yes- und Asia-Keyboarder Geoff Downes kurzzeitig der Band an), doch sollte sich keine beständige Formation mehr bilden, so daß Boyle die Band Ende 1977 auflöste.

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Pip Pyle (Großbritannien)


Seven Year Itch, 1998

Der Schlagzeuger Pip (eigentlich Philip) Pyle, Jahrgang 1950, gehört zu den Hauptakteuren der Canterbury-Szene. Das Schlagzeug lernte er weitgehend autodidaktisch. Als 15-jähriger spielte er in seiner ersten Band, Delivery, zu der mit den Brüdern Steve und Phil Miller zwei weitere Szenegrößen gehörten. Nach vorübergehender Trennung, während der Pyle u.a. kurzzeitig Mitglied von Gong war, kamen Delivery 1972 wieder zusammen und änderten kurz darauf ihren Namen in Hatfield and the North. 1975 lösten sich Hatfield auf. Es würde zu weit führen, alle nachfolgenden Projekte Pip Pyles hier aufzulisten, erwähnt sei noch, dass er von 1977 bis 1981 bei National Health spielte. Einen genauen Überblick findet man auf der Calyx Website.

"7 Year Itch" ist Pip Pyles erstes Soloalbum, es entstand in den Jahren von 1991 bis 1997 (wobei die Kompositionen teilweise bis in die Siebziger zurückreichen) und vereinigt fast alle Größen der Canterbury-Szene, darunter die gesamte ehemalige Besetzung von Hatfield and the North. Die Stücke, u.a. ein Cover von "Strawberry Fields Forever", sind größtenteils von zurückhaltendem Tempo mit bisweilen schwebender Atmosphäre, es gibt aber auch schräge Bläsereinsätze.

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Robert Wyatt (Großbritannien)


Rock Bottom, 1974

Der Schlagzeuger und Sänger Robert Wyatt ist sozusagen ein Canterbury-Urgestein. Er spielte schon Anfang der 60er bei den Wilde Flowers, um dann 1966 Soft Machine mit zu gründen. Als sich Soft Machine nach der zweiten LP dem psychedelischen Jazzrock zuwandten, waren für Wyatts Gesang und seine eher an den Free Jazz angelehnten Improvisationen kein Platz mehr. So veröffentlichte er 1970 seine erste Solo-Scheibe "The End of an Ear", eine bizarre Mischung aus Free Jazz und dadaistischen Klang- und Stimmexperimenten, die man je nach Laune als nervend unanhörbar oder beeindruckend experimentell einstufen wird. Nach dem endgültigen Ausstieg bei Soft Machine formierte Wyatt Matching Mole, mit denen er zwei Alben einspielte.

Eine einschneidende Wende in Wyatts Leben war eine Querschnittslähmung, die er sich 1973 nach dem Sturz aus einem Fenster zuzog. Damit wäre seine Musikerkarriere fast beendet gewesen, doch raffte sich Wyatt auf und nahm mit einer Reihe von Freunden und Bekannten (darunter z.B. Mike Oldfield, Fred Frith, Gary Windo und Richard Sinclair), quasi als Überlebenszeichen, eine neue Solo-LP auf - "Rock Bottom". Das wilde Improvisieren der Matching Mole-Zeit fehlt hier, in den Mittelpunkt rückt vielmehr Wyatts wunderbare Stimme, begleitet von eher ruhig-fließenden und dennoch mitunter recht ekstatischen Klängen. "Rock Bottom" bietet dichte, geradezu hypnotische Musik. Das Album spiegelt Wyatts Innenleben zu dieser Zeit und zählt auf jeden Fall zu den beeindruckendsten Werken der Canterbury-Szene, wenngleich es stilistisch wohl eher dem "Art-Pop" zuzuordnen wäre.

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Babyblaue Prog-Reviews: Leitfaden: Canterbury (2024)

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